Editorial von Dr. Philipp Gut

    Liebe Leserin, lieber Leser

    (Bild: zVg)

    Umweltthemen bewegen – darum freuen wir uns, Ihnen jeden Monat interessante Einblicke, faszinierende Persönlichkeiten und fundierte Analysen in unserer «Umwelt Zeitung» zu vermitteln. Zwar geniessen wir im Augenblick den warmen Sommer, aber die umwelt- und energiepolitischen Schlagzeilen dieser Tage beschäftigen sich bereits mit dem kommenden Winter. Der Bundesrat warnt, wir müssten uns möglicherweise in der kalten Jahreszeit auf eine Mangellage beim Strom einstellen. Gas und Öl könnten knapp werden. Wir stehen vor einer Energiekrise, die sogar dazu führen könnte, dass Energieträger rationiert werden und dass der Strom zeitweise abgestellt wird.

    Was läuft schief? Und wie können wir die drohende Gefahr einer Strommangellage abwenden? Diese Fragen haben wir dem Physiker und Energiefachmann Simon Aegerter gestellt. In seinem exklusiv für die «Umwelt Zeitung» verfassten Gastbeitrag begründet er mit Zahlen und Fakten, warum die Erneuerbaren die Kernenergie in der Schweiz nicht ersetzen können, wie es die Energiestrategie 2050 anstrebt. Aegerter ortet grosse Probleme bei der Wind- und Solarenergie.

    Zum ersten Problem schreibt er: «Die holländischen Müller klagen seit jeher: ‹Wenn es Wind hat, hat’s kein Korn; und wenn es Korn hat, hat’s keinen Wind›. Dabei stehen ihre Windmühlen an der Küste, wo die mittlere Windgeschwindigkeit doppelt so hoch ist wie bei uns. Produziert ein Windrad an der Küste also doppelt so viel Strom wie bei uns? Nein, es sind achtmal soviel, weil die Stromproduktion von Wind mit der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit skaliert. Das heisst, wenn wir gleich viel Windstrom produzieren wollen wie ein Windrad an der Küste, brauchen wir acht solcher Windräder. Das heisst, statt 1200 Tonnen Beton fast 10’000 Tonnen, statt 260 Tonnen Baustahl über 2000 Tonnen. Das geht ins Geld. Kein Wunder, rentieren Windräder in der Schweiz nur dank Subventionen. Windkraftanlagen sind nichts für die Schweiz! Die Schweiz ist kein Wind-Land!»

    Das Problem mit der Photovoltaik ist ein anderes: Die Sonne scheint nun einmal nicht immer, und im Winter sind die Tage kurz. Dazu komme etwas, das den wenigsten «Solar-Fans» bewusst sei: «Zur Herstellung der Photozellen und zum Bau der Anlagen braucht es Energie. Woher kommt sie? Die meisten Photozellen werden in China fabriziert. Dort überwiegt immer noch Strom aus Kohlekraftwerken. Diese Energie müssen die Photozellen zuerst ‹zurückzahlen›, bevor sie wirklich netto Energie produzieren. Anders gesagt: In den ersten Jahren ernten die Solarenthusiasten chinesischen Kohlestrom. Wie viele Jahre? Nördlich der Alpen sind es je nach Art der Photozellen bis zu 18 Jahre!»

    Das Fazit des Physikers lautet: «Die Energiezukunft der Schweiz kann nicht solar sein, und sie darf nicht fossilthermisch sein. Sie wird nuklear sein – oder es gibt keine Energiezukunft. Das Verbot, neue Kernkraftwerke zu bewilligen, muss deshalb schleunigst aus dem Kernenergiegesetz entfernt werden.»

    Ein weiteres Thema dieser Ausgabe, das ich Ihnen empfehlen möchte, sind die nachhaltigen Finanzanlagen. Sie boomen, auch und gerade in der Schweiz mit ihrem traditionell starken Finanzplatz. Unser Gastautor Matthias Müller, Präsident der Jungfreisinnigen Schweiz und Jurist, stellt fest, dass sich die Branche rasant in eine nachhaltige Zukunft entwickle. Allerdings kritisiert er die zunehmenden staatlichen Vorschriften. Die Wirtschaftsfreiheit dürfe nicht durch Verbote und überbordende Regulierungen eingeschränkt werden, schreibt Müller.

    Schliesslich möchte ich Sie einladen, die Welt für einmal aus der Vogelperspektive zu betrachten – im buchstäblichen Sinn. Livio Rey von der Vogelwarte Sempach erklärt im Interview mit Corinne Remund, wie es den Vögeln in unserem Land geht. Dabei gebe es erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Lebensräumen. Während die Bestände in intensiv genutzten Landwirtschaftsgebieten zurückgehen, nehmen sie in den Wäldern zu. Besonders prekär ist die Situation in den Feuchtbiotopen, wo fast zwei Drittel der Vogelarten auf der Roten Liste stehen. Mit welchen Massnahem wir unsere Vögel schützen können, lesen Sie ebenfalls im Gespräch mit Livio Rey.

    Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und einen entspannten Sommer!

    Dr. Philipp Gut,
    Verleger

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