Versorgungssicherheit mit Elektrizität auf fünf Säulen

    Was wir tun, damit wir auch in Zukunft genug Strom haben. Und weshalb es trotzdem schon fünf nach zwölf ist. 

    (Bild: pixabay) Unsere einheimische Wasserkraft ist und bleibt das Rückgrat der Stromversorgung.

    «Ausstieg ins Nichts»: Treffender lässt sich der überhastete Ausstieg der Schweiz aus der Kernenergie nicht beschreiben. Die Energiestrategie 2050 taugt nicht und beinhaltet grundlegende Konstruktionsfehler. Irrtümlicherweise ging man davon aus, dass der Stromkonsum abnähme. Ignoriert wurde die bereits jahrzehntelang anhaltende Verlagerung von fossilen Energien in die Elektrizität. Exemplarisch dafür steht der Megatrend der Elektromobilität. Daher war die Annahme falsch, dass erneuerbare Energien nur den wegfallenden Strom aus AKW ersetzen sollten. Nein, Strom ersetzt grundsätzlich fossile Energien.

    Wie kann Frau Sommaruga noch ruhig schlafen? 

    Wie man angesichts der Tatsache, dass die Schweiz ungebremst auf eine krasse Strommangellage zusteuert, im Umweltdepartement von Simonetta Sommaruga noch ruhig schlafen kann, ist nicht erklärbar. Bis 2050 dürfte der Stromverbrauch um mehr als 20% steigen. Ab 2035 – so der Plan – geht das letzte AKW vom Netz. Somit fehlt uns in 13 Jahren mehr als ein Drittel der Stromproduktion. Besonders im Winterhalbjahr sieht es düster aus. Trotz dem Ausbau aller Energieformen klafft in der kalten Jahreszeit eine riesige Stromlücke.

    Es ist Zeit, die Welt der energiepolitischen Tagträume und des Opportunismus zu verlassen. Physikalische Gesetze und Grössenordnungen lassen sich im Bundeshaus nicht austricksen. Die FDP hat dies erkannt und stellt entsprechende Forderungen. Wenden wir uns einem umsetzbaren Massnahmen-Mix zu. Die tragenden fünf Säulen einer sicheren und nachhaltigen Stromversorgung der Schweiz sind der Ausbau der erneuerbaren Energien, neue Grosskraftwerke, stärkere Netze und Speicher, eine aktive Energie-Aussenpolitik sowie Energieeffizienz mit Anreizen.

    Markteingriffe klein halten

    Dieses Vorgehen auf fünf Säulen erfordert die Einhaltung verschiedener Grundsätze. Alle technologischen Errungenschaften werden benötigt und keine davon hat nur Vorteile. Oder wie Milton Friedman es so schön sagte: «There’s no such thing as a free lunch.» Die zu ergreifenden Massnahmen sind nur dann nachhaltig, wenn sie drei Dimensionen, nämlich der Wirtschaftlichkeit, der Umwelt- sowie Sozialverträglichkeit genügen. Kurzlebige Konzepte sind zum Scheitern verurteilt, da grosse und langfristig ausgelegte Infrastruktur-Investitionen Planbarkeit und Rechtssicherheit bedingen. Deshalb sind Markteingriffe klein zu halten, um keine ungleich langen Spiesse oder Fehlanreize zu schaffen. Abgeleitet aus dieser Denkweise ist die vollständige Öffnung des Schweizer Strommarktes eine zentrale Massnahme. Das ist die integrale Voraussetzung für die Teilnahme am EU-Strommarkt. Aber Vorsicht, die Kopplung mit europäischen Märkten ist nicht zu verwechseln mit unbekümmerter Stromversorgung. Weder die Schweiz noch Europa sind ideale Kupferplatten, wo unbegrenzt und über weite Distanzen Strom weitergeleitet werden kann. Investitionen in stärkere Stromnetze sind zwingend. 

    Wasserkraft bleibt Rückgrat 

    Unsere einheimische Wasserkraft ist und bleibt das Rückgrat der Stromversorgung. Mit der Pumpspeicherung bietet sie die überzeugendste Lösung, um saisonal und kurzfristig Versorgungsschwankungen auszugleichen. Die Blockadehaltung der Umweltverbände gegen deren Ausbau sowie die teuren Wasserzinsen sind schmerzhafte Störfaktoren. Milliarden-Investitionen in bedeutender energetischer Dimension liegen brach.

    Photovoltaik ist kein Allerweltsmittel gegen Strommangel. Ohne gesicherte Speichermöglichkeiten ist diese kaum hilfreich. Nachts liefert sie nichts, im Winter viel zu wenig. Eine Umwandlung in Gas, um später bei Bedarf wieder Strom zu produzieren, ist im Wirkungsgrad zwar bescheiden, kann aber übers Jahr hinweg dezent das Netz stabilisieren.

    Es braucht neue Grosskraftwerke 

    Seien wir ehrlich: Ohne neue Grosskraftwerke kommt die Schweizer Stromproduktion nicht aus. Warum nutzen wir nicht den alten Standort des AKW Mühleberg für ein neues Gaskraftwerk? Die Leitungen wären schon da und dessen Abwärme liesse sich verwenden. Ansteigen werden leider der CO2-Ausstoss und die Abhängigkeit von russischem Gas, dessen Importanteil in die Schweiz fast die Hälfte ausmacht. Geopolitisch ist es daher klug, Primärenergieträger aus heterogenen Quellen zu beschaffen. Flüssiggas aus europäischer Herkunft böte eine Alternative dazu. Sofern man Gaskraftwerke für die Winterstromversorgung finanziell unterstützt, ist darauf zu achten, dass diese dann gemäss CO2-Gesetz nicht gleich wieder mit prohibitiven Abgaben bestraft werden. 

    Regulatorisch besteht auch im Kernenergiegesetz Handlungsbedarf. Das Neubauverbot ist eine nutzlose ideologische Scheuklappe. Eine Rahmenbewilligung für ein neues Kernkraftwerk bedarf sowieso eines Volksentscheids. Kommende Generationen von Kernkraftwerken sind bereits in Entwicklung und es gibt namhafte Investoren in der Schweiz. In der EU gibt es schon Bewegung und man will gemäss neusten Plänen AKW als klimafreundliche Energie unterstützen. Oft unterschätzt wird auch, dass Brennelemente weltweit sehr diversifiziert und für mehrere Jahre Vollbetrieb beschafft und eingelagert werden können. Das reduziert Abhängigkeiten.

    Ernüchternd ist abschliessend festzustellen, dass aufgrund der zu langen Verfahrens- und Realisierungsdauer von weit über 10 Jahren dringend nötige Projekte für den Ausbau der Stromproduktion oder des Netzes ab dem kritischen Jahr 2035 bereits zu spät kommen.

    Christian Wasserfallen
    Nationalrat FDP

    Eine ähnliche Fassung dieses Beitrags ist zuerst in der NZZ erschienen.

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